Übung 12: Übersetzung        [Zurück zur Frühneuhochdeutsch-Seite]

(Übersetzt wird hier der gesamte Text, damit Sie kontrollieren können, ob Ihr Verständnis adäquat war; der Text, den Sie übersetzen sollten, ist fett markiert.)

Wie Fortunatus' Gastwirt zu Konstantinopel nachts in die Kammer kam um zu stehlen und Lüpoldus ihn erschlug.

Der Wirt schlief aber nicht, sondern er gedachte, sein Vorhaben zu vollbringen, und als er sah, dass das Licht verloschen war, schlüpfte er abermals durch das Loch und kam zu Lüpoldus und begann ihm unter dem Kopf zu nesteln. Nun schlief Lüpoldus nicht. Er hatte ein gar wohl schneidendes Messer blankgezogen bei sich auf der Decke liegen; und eilends erwischte er das Messer und hieb gegen ihn. Der Dieb duckte sich, aber nicht genug, und er verwundete ihn so sehr an seinem Hals, dass er weder ach noch weh sprach und gleich tot lag. Lüpoldus rief den Knechten voll Zorn [und] sprach: Warum habt ihr das Licht gelöscht? Sie sagten alle und jeder insbesondere, sie hätten es nicht gelöscht. Lüpoldus sprach: Gehe einer rasch und zünde ein Licht an, und stellen sich die anderen mit euren blanken Schwertern unter die Tür und lassen niemand hinaus: Es ist ein Dieb in der Kammer. Der eine Knecht lief rasch und brachte ein Licht. Er sprach: Schließt die Tür wohl zu, dass uns der Dieb nicht entrinne. Und sie fingen an zu suchen und kamen gleich an die Stelle, wo Lüpoldus lag; da fanden sie den Wirt mit verwundetem Hals tot liegen. Als das Fortunatus hörte, könnt ihr wohl glauben, dass er schlimmer erschrak als all seiner Tage jemals. Er sprach abermals: Oh Gott, dass ich je nach Konstantinopel gekommen bin! Nun wäre es eine Kleinigkeit, dass wir alle um unseren Besitz gekommen wären; denn jetzt sind wir alle um unser Leben und unseren Besitz gekommen. Oh allmächtiger Gott, komm uns Armen zu Hilfe, weil uns sonst niemand helfen kann und will. Wir sind fremd, und wenn wir auch unsere Unschuld beteuern, so wird uns nicht geglaubt. Bieten wir an, viel Geld zu zahlen, so denken sie: Sie haben das Leben ohnedies verwirkt; wenn wir das nahmen, so haben wir viel Geld. Wir bekommen es doch ohnedies von ihnen. Herr und Knechte standen und sahen den Leichnam an, und vor Not [und] Angst zitterten sie, dass keiner reden konnte, und Fortunatus am allermeisten, denn dieser wusste, wie es ihm zuvor zu Lunden ergangen war, als der Edelmann in einem Haus ermordet wurde, in dem er nicht gewesen war, woran er keine Schuld hatte und wovon er gar nichts wusste. Fortunatus sprach zu Lüpoldus: Oweh, wie hast du so übel an uns getan, dass du den Wirt totgeschlagen hast; hättest du ihn tödlich verwundet, doch nicht richtig getötet, so wollten wir mit der Hilfe Gottes und mit barem Geld unser Leben retten. Lüpoldus sprach: Es ist Nacht gewesen; ich wusste nicht, was ich traf. Ich schlug nach einem Dieb, der mir unter dem Kopf nestelte, der uns zuvor das Unsere gestohlen hatte. Den habe ich getroffen, und wollte Gott, dass man wüsste, auf welche Weise er erschlagen wurde, so müssten wir uns um Leib und Gut nicht sorgen. Fortunatus sprach: Oh, wir werden es nicht dahin bringen, dass wir den Wirt zu einem Dieb machen: Seine Verwandten werden es nicht zulassen. Uns hilft weder Rede noch Geld.

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