Nehmen Sie noch einmal den
frühneuhochdeutschen Text der Übung 9
vor.
1. Um welche syntaktischen Phänomene handelt es sich bei folgenden Beispielen?
- ain küng edler und gewaltiger (Z. 2 f.) – nachgestellte attributive Adjektivgruppe
(vgl. Frühneuhochdeutsche Grammatik, S. 325 f.)
- und der sich in allen sachen zoch nach mänlicher ritterschaft und aller zuht (Z. 9)
– partiell ausgebildeter Satzrahmen (vgl. Hartweg/Wegera, S. 136 f.). Ein fehlender
Rahmen läge bei dieser Satzstellung vor: und der sich zoch in allen
sachen nach mänlicher ritterschaft und aller zuht; ein voll ausgebildeter
Rahmen bei dieser: und der sich in allen sachen nach mänlicher
ritterschaft und aller zuht zoch.
- mit irer zuberlich kunst (Z. 11) – nicht flektiertes adnominales Adjektiv
(vgl. Frühneuhochdeutsche Grammatik, S. 199 f.)
- er waz lieb gehabt von allen fürsten, herren, rittern und knehten (Z. 13 f.)
– nicht ausgebildeter Satzrahmen (vgl. Hartweg/Wegera, S. 136 f.). Ein partiell ausgebildeter
Rahmen wäre bei diesem Beispiel nicht möglich; ein voll ausgebildeter
Rahmen läge vor bei: er waz von allen fürsten, herren, rittern
und knehten lieb gehabt.
- daz er davon nit möht werden geergert (Z. 21 f.) – dreigliedriger Verbkomplex nach
dem Schema ›Finitum + Infinitum + Part. Prät.‹ (vgl. Hartweg/Wegera, S. 136;
Frühneuhochdeutsche Grammatik, S. 439)
- vil wol gewapneter ritter (Z. 32) – postnominales Genitivatribut (Genitivus partitivus);
vgl. Hartweg/Wegera, S. 135.
- er het ainen grozzen schatz von silber und von gold verslozzen mit solhen zauberlisten
(Z. 34) – partiell ausgebildeter Satzrahmen (vgl. Hartweg/Wegera, S. 136 f.). Ein
fehlender Rahmen läge bei dieser Satzstellung vor: er het verslozzen
ainen grozzen schatz von silber und von gold mit solhen zauberlisten;
ein voll ausgebildeter Rahmen bei dieser: er het ainen grozzen schatz
von silber und von gold mit solhen zauberlisten verslozzen.
- er solt den schatz mit manhait haben erstriten (Z. 36) – dreigliedriger Verbkomplex nach
dem Schema ›Finitum + Infinitum + Partizip‹ (vgl. Hartweg/Wegera, S. 136;
Frühneuhochdeutsche Grammatik, S. 439)
2. Bestimmen Sie die nachfolgend genannten Einheiten hinsichtlich phonologischer Auffälligkeiten.
(Achtung: Folgen Sie nicht immer dem ersten Anschein, prüfen Sie ggf. lieber nach, wie das
entsprechende Wort im Mhd. ausgesehen hat!)
- lüt (Z. 1) – nicht durchgeführte Diphthongierung
- küng (Z. 2) – nicht durchgeführte Senkung (frnhd. küng ➢
nhd. König), Synkope (küneg ➢ küng)
- zuberlich (Z. 11) – fälschlich rückgängig gemachte Diphthongierung (mhd.
zouberlich hatte immer schon den Diphthong und ist nicht Produkt der Diphthongierung)
- gesein (Z. 12) – durchgeführte Diphthongierung
- reich (Z. 19) – durchgeführte Diphthongierung
- do (Z. 29) – Verdumpfung
- ertöt (Z. 29) – Apokope (ertötete ➢ ertötet) +
Ekthlipsis (ertötet ➢ ertöt)
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