Ein Königreich hieß
Thessalien in dem Land Rumänien. Die Leute in diesem Land hießen
Mirmidonen; von ihnen wird in der Sankt-Matthäus-Legende berichtet.
Dasselbe Land nennt man heute Abruzz. Damals lebte in demselben Land ein
edler und mächtiger König namens Peleus, und seine Frau hieß
Thetida. Von diesen beiden wurde der stärkste und tollkühnste
aller Menschen, Achilles, gezeugt, der vor der Stadt Troja große
Mannestaten beging. In demselben Land Abruzz liegt die Stadt Theti, die
ihren Namen von der Königin Thetida hat. Derselbe König Peleus
hatte einen Bruder namens Eson. Dieser war älter als er und war nun
so alt geworden, dass er sich vor Altersschwäche nicht mehr rühren
konnte und die Augen ihm versagten, so dass er nicht mehr zum König
taugte und auf das Zepter des Reichs Thessalien verzichtete und seinem
Bruder Peleus überließ. Derselbe König Eson hatte einen
Sohn namens Jason, der war ein ansehnlicher, wohlgemuter Jüngling
und bildete sich in allen Belangen nach den Regeln mannhafter Ritterschaft
und jeglicher Erziehung aus. Die antiken Dichter berichten auch, als der
König Eson solcherart zu einem so hohen Alter kam und ihm alle seine
Kraft solchermaßen naturgemäß abhanden kam, dass ihm Medea,
von der hernach viel erzählt werden wird, mit ihrer Zauberkunst wieder
zu vollkommener Jugend verhalf, was doch nach dem Lauf der Natur, unserem
Glauben zufolge, nicht möglich ist. Nun wurde derselbe Jason erwachsen
und war ein vollkommener Ritter, der sich in allem, was er tat, mit jeglicher
Männlichkeit, Klugheit, Großzügigkeit und allen anderen
Tugenden artig zu verhalten wusste, so dass er von allen Fürsten,
Herren, Rittern und Knechten und auch von allem Volk desselben Landes seiner
vortrefflichen Tugend wegen nicht minder geliebt wurde als der König
Peleus selbst. Auch war dieser Jason dem König in allen Dingen gehorsam,
und es machte ihm nichts aus, dass sein Vater die Herrschaft aus der Hand
gegeben hatte. Aber trotz solcher rechtschaffener Verwandtentreue liebte
ihn der König nicht. Äußerlich bezeigte er ihm jederzeit
große Zuneigung, aber heimlich trug er große Feindseligkeit
gegen ihn im Herzen, denn er fürchtete, dass ihm aufgrund seiner Tugend
und Vortrefflichkeit das Volk des Landes zu große Ergebenheit entgegenbringen
und dass er leicht ihm zuletzt die Herrschaft entreißen und sich
des Landes und der Herrschaft selbst bemächtigen könne. Dies
bewegte der König Peleus gar heimlich in seinem Herzen und ließ
es niemanden wissen und dachte oft darüber nach, wie er im Verborgenen
etwas ersänne, dass Jason das Leben verliere und man es ihm nicht
anlasten könne. Zuletzt dachte er sich eine große Heimtücke
aus, mit der er Jason ums Leben bringen wollte. Es wurde damals auf der
ganzen Welt allgemein erzählt, dass es jenseits des Königreichs
Troja gegen Sonnenaufgang eine Insel im Meer gebe, die Kolchos heiße,
und da regiere ein König namens Oetes, der sei ein kluger, weiser
alter Herrscher und überaus reich und besäße einen Widder,
der habe ein goldenes Fell. Nun berichtet diese Geschichte, dass dieser
Widder sehr wundersam und sogar durch den Schutz des Gottes Mars mit Zauberkräften
behütet worden sei. Mit Zauberkunst waren zu seiner Bewachung Ochsen
eingesetzt, die spien aus ihrem Maul feurige Flammen, und wer das goldene
Fell haben wollte, der musste mit den Ochsen kämpfen, und wenn er
sie besiegte, musste er sie dahin bringen, dass er mit ihnen das Feld bestellen
konnte. Danach musste er mit einem großen Drachen kämpfen, der
aus seinem Maul übelriechende feurige Flammen spie, mit denen er manchen
Mann getötet hatte. Wenn er diesen besiegte, musste er ihm die Zähne
ausschlagen, sodann die Ochsen nehmen, die er, wie beschrieben, gezähmt
hatte, und musste mit ihnen das Feld bestellen und musste dann die Zähne
in das Erdreich säen. Daraus erwuchs sogleich wunderliche Frucht,
denn es wurden sogleich viele wohlbewaffnete Ritter daraus, die begannen
dann einen Bruderkrieg untereinander und schlugen einander alle tot. Solche
wundersamen Dinge musste einer bestehen, der das goldene Fell gewinnen
wollte. Man schreibt zudem von demselben König Oetes, dass er einen
großen Schatz von Silber und Gold mit solchen Zauberkünsten
verschlossen hätte, und davon wurde in vielen Ländern dieser
Welt erzählt, denn die Habgier war damals so groß wie heute,
als etlicher stolzer Mann sein Leben verlor, weil er meinte, er könne
den Schatz mannhaft erstreiten.
Als nun der König Peleus diese Geschichte von dem goldenen Fell hörte, da dachte er
bei sich, dass Jason auf diese Weise leicht dem Tod anheim gegeben werden
könne, und er überlegte, wie er Jason überreden könne,
sich der Angelegenheit zu unterziehen.