Nehmen Sie noch einmal den
frühneuhochdeutschen Text der Übung 7
vor.
1. Bestimmen Sie (analog zu den Aufgaben der Übung 3) folgende
Formen grammatisch:
- geacht (Z. 1) – Verb: Part. Perf. Pass.
- seind (Z. 2) – Verb: 3. Pers. Pl. Ind. Präs. Akt.
- mörfart (Z. 4) – Subst.: Akk. Sg. Fem.
- vilgenietesten (Z. 5) – Attributives Adj. (Superlativ): Gen. Sg. Mask.
- gescheidigkait (Z. 7) – Subst.: Akk. Sg. Fem.
- melancoley (Z. 8) – Subst.: Gen. Sg. Fem.
- thier (Z. 11) – Subst.: Gen. Pl. Neutr.
- außpündigst (Z. 15) – Attributives Adj. (Superlativ): Nom. Sg. Fem.
- růhe (Z. 19) – Subst.: Dat. Sg. Fem.
2. Betrachten Sie Phonologie/Graphematik, Morphologie und/oder lexikalische Symptomatik dieser
Formen. Inwiefern lassen sie sich für eine räumliche Einordnung des Textes heranziehen?
- geacht (Z. 1): Ekthlipsis (Form der Synkope): eher obd. Text
- seind statt sind (Z. 2): obd., am ehesten wobd. Phänomen
- mörfart (Z. 4): Rundung: am ehesten wobd. Text
- nieten (Z. 5): im 15./16. Jh. verbreitetes Lexem, das besonders häufig im Obd.
vorkommt
- gescheidigkait (Z. 7): ai-Schreibung für den alten Diphthong /ei/
(aber inkonsequent, da auch das ei in gescheidigkait auf den alten Diphthong
zurückgeht und nicht aus dem alten Monophthong /i:/ entstanden ist): obd. Phänomen
- melancoley (Z. 8): Diphthongierung auch in Nebensilben: am ehesten oobd. Text;
sicher kein alem. Text
- thier (Z. 11): e-Apokope: eher obd., auf keinen Fall omd. Text
- außpündigst (Z. 15): Anlautverhärtung: typisch obd., am
typischsten oobd. Phänomen
- růhe (Z. 19): Keine Monophthongierung: am ehesten oobd. Text
Alles in allem lässt sich aufgrund der Kombination verschiedener Indizien auf einen obd. Text
schließen; ausgeschlossen werden kann jedenfalls eine md. Herkunft. Es gibt solche
Indizien, die auf eine eher wobd., und solche, die auf eine eher oobd. Herkunft schließen lassen.
Damit ist ein Druckort wie Augsburg, der an der Grenze zwischen den beiden Sprachgebieten liegt,
besonders wahrscheinlich.
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